TW: Depression, Suizidalität, Selbstverletzung
„Ich und Depression?“ – „Nee… ich doch nicht. Dafür müsste es mir viel schlechter gehen.“
Das waren selbst dann meine Gedanken, als ich Mitte November betrunken und blutend auf dem Küchenboden lag, mit der Hoffnung, dass endlich alles vorbei sei.
Erst jetzt, auf dem Weg der Genesung, begreife ich, dass Depression viel mehr ist, als „nur“ im Bett zu liegen und zu weinen. Und wenn ich das am Anfang des Jahres schon gewusst hätte, wäre es vielleicht niemals soweit gekommen. Deswegen will ich darüber reden, was mir hätte schon viel früher auffallen müssen und was Depression auch heißt.
Seit etwa zwei Wochen bin ich nach meinem Klinikaufenthalt zuhause. Das Medikament wirkt und im Vergleich zu November hat sich mein Zustand auf jeden Fall verbessert. Mir geht es jetzt oft so gut, dass ich denke: „Du hast doch gar keine Probleme!“
Sanft muss ich mich dann daran erinnern, dass Depression nicht heißt, dass ich täglich weinen muss. Depression heißt auch, dass ich nicht aufstehen will, weil ich mich dann umziehen muss. Oder, dass ein Supermarkteinkauf so anstrenged ist, dass ich danach erstmal ausruhen muss. Dass ich seit Wochen, wenn nicht gar Monaten, nicht mehr gerne koche, sondern irgendwelches Zeug in mich hinein stopfe – wenn überhaupt. Dass ich dauernd das Gefühl habe, nicht gut genug zu sein, oder nichts hinzubekommen. Solche Dinge begleiten mich schon seit Monaten und erst im November, als mein Hausarzt zu mir gesagt hat „Sie müssen in die Klinik und zwar jetzt“, erst da, habe ich verstanden, dass es mir „schlecht“ genug geht, um Hilfe anzunehmen.
Meine Frühwarnzeichen
- Immer mal wieder Mental Breakdowns
- Meine Angst unter Menschen zu sein
- Mangelnde Motivation und Energie immer öfter
- Oft Streit mit meinem Parnter
- Immer öfter unwohlfühlen in meiner Haut
- Immer öfter kein Spaß an Dingen, die mir eigentlich Spaß machen
- Viele Dinge erschienen mir „zu anstrengend“
Botschaft an das Ich vor einem Jahr
Such dir Hilfe. Warte nicht bis es dir „schlecht genug geht“, denn das wird nie passieren. Achte auf dich, achte auf die „Frühwarnzeichen“. Und sorg dafür, dass es gar nicht erst soweit kommt. Reduziere den Stress in deinem Leben. Nimm regelmäßig eine Auszeit. Sprich mit Leuten über deine Probleme. Mach das, was dir gut tut. Mach dir selbst keinen Druck!
Jetzt im Moment habe ich mal gute Tage: Ich kann lache, habe ein bisschen Freude, sogar etwas Motivation, kann Dinge schaffen. Dann habe ich aber auch schlechte Tage. Tage an denen ich mich wieder selbstverletzte und nicht einmal versuche, dagegen anzukämpfen. Tage an denen ich mit leeren Augen vor meinem Laptop sitze und ich eigentlich ein bisschen an meinem Projekt arbeiten will, aber meine Gedanken mich auslachen, wie schlecht das Geschrieben vor mir doch ist und ich es ohnehin niemals schaffen werde.
Ich lerne immer mehr, wie ich diese Gedanken ignoriere und einfach trotzdem weiter mache. Schritt für Schritt. Außerdem hilft mir Social Media auch sehr: Bilder zu kreieren, Texte zu schreiben, Kommentare zu schreiben… es hält mich beschäftigt. Allerdings ist es auch ein zweischneidiges Schwert, denn an den schlechten Tagen ist es zu viel Druck, oder ich vergleiche mich zu sehr und das Gedankenkarusell dreht sich wieder schneller.
Jetzt bin ich auf dem Weg der Genesung. Ich habe meine Ziele wieder vor Augen, aber ich habe auch mich vor Augen. Früher habe ich gerne Tages-/Wochenpläne erstellt. Das lasse ich jetzt. Ich habe nur eine Liste an Dingen die ich machen kann, damit ich sie nicht alle im Kopf abspeichern kann. Und je nach Tag, nach Motivation, Energie und Stimmung erledige ich eine Kleinigkeit. Oder auch nicht. Ich mit dem Flow meiner Psyche und pass mich ihr an. Nehme mir selbst den Druck raus. Gehe die Dinge langsam an. Zumindest versuche ich es, denn es klappt nicht immer.